Mein erstes litauisch-amerikanisches Thanksgiving

Samstag, 28.11.2015

Hello!

Es meldet sich ein sehr vollgestopftes Wesen. Die letzten Tage hatten ziemlich viel mit Essen zu tun - Livis Geburtstag, Thanksgiving, die Reste von Thanksgiving, kochen und Waffeln backen mit zwei anderen Au Pairs, immer noch Reste von Thanksgiving, ... :D 

Mein erstes Thanksgiving IN Amerika (ich hatte schon eins in Deutschland, bei amerikanischen Freunden) war richtig, richtig schön. Meine Gasteltern und ich waren dieses Jahr die Gastgeber für 13 Freunde und Verwandte. Um zwei Uhr würde am Thanksgivingdonnerstag das große Mahl losgehen. Gegen zwölf Uhr mittags kamen die Gäste und dann ging es los: großes Gewusel in der Küche und im jetzt Ess- statt Wohnzimmer! Jeder hat bei den Vorbereitungen geholfen: Der Truthahn kam in den Ofen (leider habe ich den Moment verpasst, den Truthahn zu fotografieren, bei dem ganzen Koch-Chaos), Riris Vater machte Kartoffelbrei, ihre jüngere Schwester die Bratensoße mit Pilzen, Joes Mutter den Cranberry-Salat, Riris Mutter den Rote-Bete-Salat, Riris ältere Schwester die Truthahn-Füllung (Apfel-Zwiebel-Füllung - richtig gut!), außerdem hatte sie selbstgemachte "Bacon Buns" (kleine, mit Schinken gefüllte, herzhafte Teigklumpen) mitgebracht. Die Mitbewohnerin von Riris jüngerer Schwester brachte eine süße Paste mit, die man gut als Dessert-Dip für Kekse nehmen konnte. Auch selbstgemacht. Dann gab es noch andere Leckereien, bei denen ich nicht mehr nachverfolgt habe, von wem sie genau kamen. Ich finde es immer sehr interessant, wer was mitbringt und was die Geschichte hinter dem Rezept ist, z. B. "Das hat meine Oma immer gemacht" oder "Das habe ich in diesem oder jenem Land gegessen und musste das Rezept unbedingt haben, um es selbst machen zu können" oder "Das ist eine litauische Tradition in der Winterzeit"...

Um ca. zwanzig nach zwei hatten es endlich alle Gerichte aus dem Ofen / Kühlschrank etc. auf den Serviertisch und alle Gäste an den Esstisch geschafft. Dann hieß es: Essen fassen! Riris Vater hatte auch etwas von seinem selbstgefangenen Thunfisch und seinem selbstgemachten Wein mitgebracht und das waren die Highlights des Mahls. Als jeder einen vollen Teller hatte, stand Joe auf und hielt eine Mini-Rede als Gastgeber. Er bedankte sich, dass alle gekommen waren und jeder etwas mitgebracht hatte bzw. beim Kochen geholfen hatte. Er erwähnte auch, dass es das erste Thanksgiving ist, das diese Familie in diesem Haus feiert, da Riri und er das Haus erst vor ca. einem Jahr gekauft haben. Dann bedankte er sich, dass Livi so wächst und gedeiht :) Wir stießen alle an und jeder fing an zu essen, reihum kam aber jeder einmal dran und bedankte sich vor allen anderen für Sachen, die er momentan an seinem Leben oder am Leben generell schätzt.

Als ich dran kam, habe ich mich dafür bedankt, dass ich neben meiner Familie und meinen Freunden in Deutschland hier in Seattle eine weitere Familie und neue Freunde gefunden habe. Ich habe mich bedankt, dass ich sie alle kennen darf und für ein Jahr ein Teil ihres Lebens sein darf und habe gesagt, dass Livi die beste kleine "Arbeitskollegin" auf der ganzen Welt für mich ist :) Und ich habe gesagt, dass ich dankbar dafür bin, hier interessante Orte sehen zu können und viel über mich selbst und andere lernen zu können.

Manche haben sich dafür bedankt, dass sie einen neuen Job gefunden haben (in allein dieser Runde - 16 Leute - haben 6 oder 7 Leute allein dieses Jahr einen alten Job gekündigt und einen neuen Job gefunden, ich selbst auch!), dass sie eine OP überstanden haben (Riri), dass es ihren Kindern gut geht, dass sie selbst ein anderes Leben führen als die Flüchtlinge, die zur Zeit so viel durchmachen müssen,... ich fand das richtig schön. Ich habe überlegt, dass ich mit meiner Familie in Deutschland nächstes Jahr auch Thanksgiving feiere - einfach so. Ich werde es mal vorschlagen und schauen, was sie sagen :) Es ist einfach eine schöne Tradition. Ich fand es auch gut, dass meine Gastfamilie und ihre Freunde das "THANKS" in "THANKSGIVING" richtig ernst nehmen und sich jeder für etwas bedankt. Anderen Au Pairs zufolge ist das nicht selbstverständlich (habe ja ein paar Thanksgiving-Erfahrungsberichtet sammeln können).

Am Morgen nach Thanksgiving fuhren ein paar "übriggebliebene" Gäste (Übernachtungsgäste) wieder nach Hause. Lori, Riri, Joe, Livi und ich fuhren an diesem freien Tag ins Bothell Country Village, wo eine kleine Weihnachtsaktion mit einem Weihnachtsmann stattfand, der sich mit Kindern fotografieren ließ. Livi hatte das wunderschönste Kleidchen an und weiße Strumpfhosen und Lackschühchen und sah zum Auffressen aus. Sie hat es geschafft, auf dem kurzen Weg vom Parkplatz zum Weihnachtsmannhaus einen großen Matschfleck auf den rechten Schuh und das rechte Beinchen zu bekommen. Aber das war nicht schlimm - kam einfach mit aufs Bild :) Riri hatte am rechten Bein noch eine Schiene wegen ihres Knies, also waren Mutter und Tochter am rechten Bein "versehrt" auf dem Bild. 

Gestern war ich mit zwei österreichischen Au Pairs in Seattle unterwegs und wir haben die gereinigte Gum Wall wieder mit Kaugummis bestückt. Abends haben wir Grießnockerlnsuppe gekocht und Waffeln gebacken und heiße Schokolade getrunken, und es gab "Eggnog" - süßen, leckeren Eierlikör. Den gibt es hier zur Zeit überall und ich wusste gar nicht, dass ich so etwas mag.

Die letzten Tage waren so richtig, richtig schön. Ich möchte trotzdem auch darauf hinweisen, dass ich hier auch schon richtig viele Momente hatte, wo es mir nicht sehr gut ging. Das gehört einfach dazu und viele dieser Momente kennen andere Au Pairs natürlich auch. Es kommt so oft vor, dass man als Au Pair nicht weiß, ob die Gasteltern einen nur als Angestellte sehen oder als Familienmitglied, weil sie einem oft einfach nicht zeigen, ob sie einen mögen oder nicht. Sie können in einem Moment sehr freundlich sein und dann im nächsten wiederum so kalt und distanziert, man weiß irgendwie nie, woran man genau ist. Oder dass man manchmal gefühlt 1000 Fehler macht, dass die Stimmung im Haus total komisch ist, dass man sich mal akzeptiert und mal ungewollt fühlt, dass man sich teilweise wie ein 16-jähriges Mädchen fühlt. Oder dass man im Haus sehr wenig Privatsphäre hat - was ja eine Zeit lang nicht schlimm ist, auf Dauer aber in bestimmten Situationen echt anstrengend sein kann. Wenn man eine Blasenentzündung hat und kaum arbeiten kann, weil der Alltag so davon dominiert wird, und dann irgendwie versucht, Zeit für einen spontanen Arzttermin freizubekommen, und beim Arzt ewig mit der Au-Pair-Versicherung herumtelefoniert, damit der Arzt einem hilft, ohne 300 Dollar für die Untersuchung zu verlangen. Das sind jetzt nur so einfache Beispiele, die relativ gut nachvollziehbar sind und die ja für ein Au Pair auch normal sind. Es kann aber auch manchmal richtig komplex werden, Dinge, die teilweise schwer zu erklären sind, die viel mit psychologischem Feingefühl zu tun haben und die einem ganz schön viel Kopfzerbrechen bereiten können. Aber das ist ja auch mit ein Grund, warum ich mich für dieses Jahr entschieden habe: Um dazuzulernen und an Situationen zu wachsen :) 

Mein nächster Bericht wird höchstwahrscheinlich sehr weihnachtlich sein!

Dankbare Grüße,

Joana

 

Partnerlook mit Livi Pumpkin- und Zucchini-Bread von Lori Thanksgiving-Essen! Mein Thanksgiving-Teller (nicht der einzige) Nachtisch :) Schönes Gebäude im Bothell Country Village Lebkuchenhäuschen, von Kindern gemacht Eines der wunderschönen Rentiere Santa wartet auf die Kinder Deutsche Leckereien am Pike Place Market Mein Kaugummi an der Gum Wall (das Herz) Weihnachtsschweine am Pike Place Market mit Moos beschmücktes Fahrrad vor einem Blumenladen Grießnockerln... so gut! Waffeln und lecker Sirup Winterstimmung