Die Knieverletzung meiner Gastmama - und die Folgen

Dienstag, 10.11.2015

Hello back!

Ich melde mich momentan quasi aus einer kleinen Krankenstation. Zum Glück ist nur ein Mitglied der Gastfamilie krank - meine Gastmutter Riri. Ihr Problem hat es aber in sich. Sie hat sich vor einigen Wochen beim Fußballspielen einen Kreuzbandriss am linken Knie zugezogen. Sie spielt nicht professionell, es war eher ein Freizeitspiel mit Freunden und Verwandten. Ich selbst war nicht dabei, als es passierte. Ich habe sie jedenfalls am nächsten Morgen zum Arzt gefahren und der sagte ihr, dass leider eine OP nötig ist. Sie holte sich zur Sicherheit noch eine Meinung von einem zweiten Arzt ein, doch auch hier wurde auf die Wichtigkeit der OP hingewiesen. Nach ca. drei Wochen Schonung des Beines war die Schwellung am Knie gering genug, um operieren zu können. Letzte Woche Dienstag war es so weit: Um sechs Uhr morgens würde die OP stattfinden. Ich stand um halb fünf Uhr morgens auf und war um fünf arbeitsbereit, falls Livi aufwacht. Riri und Joe fuhren um kurz nach fünf los zum Krankenhaus. So gegen zwölf Uhr mittags kamen sie wieder und zogen sich zurück - Riri, um sich von der OP zu erholen und Joe, um sich um sie zu kümmern. Seit letzter Woche Dienstag kann Riri also quasi nichts machen, da sie das Bein auf keinen Fall belasten darf, damit es in Ruhe heilen kann. Sie muss es zwölf Stunden am Tag in einer Art Maschine, die in ihrem Bett installiert wurde, befestigen. Diese Maschine bewegt das Bein ganz langsam und sorgt dafür, dass es nicht quasi nicht "einrostet" und sie es nach der Heilung weiter gut bewegen kann. So gegen drei Uhr mittags am Tag der OP kam Riris Mutter, um mich abzulösen.

Seit letzter Woche Dienstag gehen einige Helfer ein und aus, um uns mit Livi zu unterstützen. Ich darf als Au Pair laut Au Pair Agentur nur 45 Stunden pro Woche arbeiten und Joe kommt jeden Abend erst um ca. 19.30 nach Hause. Mein Tag fängt aber oft um sieben Uhr morgens an. Das wären also pro Tag mehr als 12 Stunden und in der Arbeitswoche ca. 62 Stunden. Daher kamen letzte Woche zur Unterstützung an verschiedenen Tagen neben Riris Mutter auch ihre beiden Schwestern und diese Woche haben wir eine zusätzliche Nanny, die hilft, wenn ich "off duty" bin. Ich helfe Riri auf jede erdenkliche Art und versuche ihr, die für sie natürlich unangenehme Situation etwas angenehmer zu machen: Tee und Essen zubereiten und ans Bett bringen, generell immer da sein, falls sie etwas braucht, Kühl-Akkus und Hitzebeutel vorbereiten und bringen, ihr Livi bringen, wenn sie sie stillen möchte (ansonsten gebe ich Livi eine Flasche oder Babyfood), das ganze Haus (noch mehr als ich es sonst schon tue) generell sauber und ordentlich halten, die Küche den ganzen Tag immer wieder aufräumen und das Geschirr spülen, den Boden im Eingangsbereich kehren, den Hund füttern, den Müll raus bringen, die Post holen, die Mülltonnen auf die Straße stellen und wieder reinholen... die ganzen Sachen mache ich sowieso von selbst und freiwillig (obwohl ich es nicht unbedingt muss), wenn mir auffällt, dass es gemacht werden muss, aber zur Zeit achte ich noch mehr darauf. Ich liebe das Gefühl total, gebraucht zu werden, und freue mich immer, wenn ich merke, dass ich wirklich dazu beitragen konnte, jemandes Tag zu vereinfachen. Riri und ich haben uns angewöhnt, dass sie mir aus dem "Krankenzimmer" SMS schreibt (ist im Familien-Handyvertrag sehr, sehr günstig), wenn sie etwas braucht oder über irgendetwas Bescheid geben will, da ich den ganzen Tag natürlich beschäftigt und selten in Rufweite bin. Das klappt sehr gut und trotz ihrer Verletzung und OP-Schmerzen merke ich, dass Riri sich zur Zeit den Umständen entsprechend wohl fühlt, weil alles im Haus reibungsloss klappt. 

Heute Morgen habe ich die "Unterstützungs-Nanny" in alle möglichen Aufgaben eingeweiht und ihr alles gezeigt und mehrere Stunden mit ihr zusammen gearbeitet, um sicherzugehen, dass Livi bei ihr in guten Händen ist. Es gibt ja Leute, die denken, dass man um ein einziges Baby doch nicht viel Aufhebens machen muss und so viel Hilfe übertrieben ist. Aber so ein kleines Wesen hat eben seine Bedürfnisse und braucht seine gewohnte Umgebung und die richtigen Leute um sich herum und von daher ist die ganze Organisation, die Riri für Livis lückenlose Betreuung betrieben hat, eben doch sehr berechtigt. Ich habe heute richtig gemerkt, wie sehr es mir am Herzen liegt, dass die Kleine sich bei der anderen Nanny auch wohl fühlt und dass Bree (so nenne ich die Nanny hier) auch wirklich versteht und ernst nimmt, was Livi braucht, damit es ihr gut geht und sie ihren gewohnten Ablauf hat. Dass das Wohlergehen des Kindes im Vordergrund steht, ist leider nicht für jede Nanny oder jedes Au Pair selbstverständlich - das bekommt man als Au Pair mit, wenn man sich mit anderen Nannys und Au Pairs unterhält. Es hat mich so richtig berührt, als die kleine Livi heute zwar tapfer alles mitgemacht hat, was Bree mit ihr gemacht hat, aber zwischendurch doch ein bisschen verzweifelt meine Nähe gesucht hat. Ich habe der Kleinen dann jedes Mal eine ganz dicke Umarmung gegeben und ihr gezeigt, dass alles in Ordnung ist und ich da bin, egal, was ist. Erst danach hat sie sich dann von Bree wieder anfassen und umsorgen lassen. In der Regel ist Livi schon sehr Mama-bezogen, weil sie mich ja den ganzen Tag um sich hat und ihre Mama, die sie nicht so oft sieht, ja die "Special Person" ist. Daher hat es mich besonders gefreut, dass sie so deutlich gezeigt hat, wie geborgen sie sich bei mir fühlt. Das war mir zwar vorher schon bewusst, aber zur Zeit spüre ich es eben so richtig. 

Die Tatsache, dass Riri sich verletzt hat, hat interessanterweise zu einem Wochenendtrip geführt, der so eigentlich nicht stattgefunden hätte. Riri, Joe und einige Verwandte und Freunde von ihnen wollten eigentlich ein zwei Wochen, nachdem Riri sich ihre Verletzung zugezogen hat, noch mal ein Wochenende in der Hope Lodge am Stevens Pass verbringen (die Berghütte, die ich in einem meiner bisherigen Einträge schon einmal erwähnt habe). Ich wäre bei diesem Wochenende auch dabei gewesen. Durch ihre Verletzung hat Riri das Wochenende aber abgesagt und die Buchung der Lodge gecancelt. Damit der Besitzer der Berghütte trotzdem an das Geld für das "geplatzte" Wochenende kommt, fragte Riri mich, ob ich vielleicht ein paar Leute zusammenkriegen könnte, die anstatt der ursprünglichen Gruppe zur Hope Lodge fahren könnten. Sie wüsste ja, dass ich verantwortungsbewusst sei und dafür sorgen würde, dass die Lodge so sauber und ordentlich verlassen wird, wie sie vorgefunden wurde. Das hat mich insofern doppelt gefreut, als dass meine Gasteltern mir eher selten zeigen, was sie von mir halten. Üblicherweise sagen oder zeigen sie mir nicht wirklich, wie sie meine Arbeit finden. Sie sind in dem Punkt eher verschlossen - jeder Mensch ist eben anders. Die einen bedanken sich oft und die anderen sagen eher nichts. Aus diesem Grund war das Vertrauen, das Riri mir mit dem "Überlassen" der Hope Lodge zeigte, für mich ein großes Kompliment. 

In meinem nächsten Eintrag werde ich mich also auf das Wochenende in der Hope Lodge beziehen :)

Bye bye und danke fürs Lesen!